DAS SAKRAMENT DER AUFNAHME IN DIE PFARRKARTEI
von Wilhelm Ettelt
Vor einigen Jahren hörte ich einen Vortrag des nicht zuletzt den Lesern der EINSICHT bekannten Priesters W.W.E. Dettmann, in welchem dieser die Ansicht aussprach, daß die heute in der (konziliaren) Kirche gespendeten Sakramente in allgemeinen nicht mehr gültig seien - mit Ausnahme der Taufe. Nun war ich letztes Jahr bei einer Taufe zu Gast, und was ich dort erlebte, war so wenig erbaulich, daß ich mich den auch schon von anderer Seite geäußerten Zweifeln anschließen muß, ob hier noch von einer echten Taufe gesprochen werden kann.
Es handelt sich um eine Pfarrei am Rande einer Großstadt. Der Pfarrer freute sich offensichtlich, daß er wieder einmal ein Kind taufen konnte. Er klagte mit bewegten Worten über die religiöse Gleichgültigkeit der meisten seiner Pfarrkinder. Die Gestaltung der Feier war durchaus würdig; die organisatorische Leitung ihres Ablaufs hatte, einschließlich feierlichen Einzugs und Glockenläutens, eine Pfarr-Gschaftlhuberin übernommen. Erst im Laufe der Zeremonien nahm ich wahr, daß die Ministranten Mädchen mit schon gut entwickelten weiblichen Formen waren, was man wegen der Chorröcke zunächst übersehen konnte. Die Spende der Taufe selbst erfolgte in der vorgeschriebenen Weise, also durch Gießen des Wassers über den Kopf des Täuflings mit der bekannten trinitarischen Formel. Der Taufexorzismus wurde nicht durchgeführt - gemäß den von Paul VI. verfügten Neuerungen. Letzteres allein wäre noch kein Grund, an der Gültigkeit der Taufe zu zweifeln.
Das eigentlich Ärgerniserregende ist die Tatsache, daß kein Wort vom eigentlichen Taufzweck fiel, den kleinen Menschen aus der Gewalt des Teufels und der Erbsünde zu befreien. Dafür wurde die Formulierung gebraucht: "Franziska, ich nehme dich hiermit auf in unsere Pfarrgemeinde", und ähnlich öfters.
Nun ist folgendes zu ergänzen: Die Eltern der kleinen Franziska sind nicht unreligiös. Aber sie stehen, wie so viele, den Neuerungen zwar mit deutlichem Mißbehagen, aber im wesentlichen unkritisch gegenüber. Wenigstens die ordinäre äußere Form, in der die meisten Neumessen zelebriert werden, stößt sie ab. Deswegen besuchen sie sonntags nur Messen in der Innenstadt, gewöhnlich mit Orchestermusik. Bis zur Taufe ihrer Tochter wußten sie gar nicht, zu welcher Pfarrei sie gehören; seit der Taufe waren sie nicht mehr in ihrer Pfarrkirche. Die Pfarrgemeinde in der Großstadt ist zu einem bloßen Verwaltungsbegriff erblaßt, der keine religiöse und keine soziale Bedeutung mehr hat. Die Formel: "Ich nehme dich hiermit auf in unsere Pfarrgemeinde" hat gar keine andere Bedeutung als: "Ich nehme dich hiermit auf in unsere Pfarrkartei".
Ist nun eine solche Taufe noch gültig? Ich möchte eine definitive Antwort einem guten Theologen überlassen. Doch seien mir einige Gedanken hierzu gestattet: Angenommen, es wird auf der Bühne eine Taufe dargestellt, und zwar genau in der von der Kirche vorgeschriebenen Weise, angenommen, der Schauspieler, der den Täufling spielt, ist noch nicht getauft: dann ist er selbstverständlich auch nach der Aufführung nicht getauft. Denn sowohl der Taufende als der Täufling haben nur die Absicht, Theater zu spielen, nicht, eine gültige Taufe zu spenden oder zu empfangen.
Wenn nun der genannte Großstadtpfarrer keine andere Absicht hatte, als das Kind in seine Pfarrkartei aufzunehmen, so war die Taufe selbstverständlich ungültig. Nach den durch den Ketzertaufstreit des 3. und 4. Jahrhunderts verinlaßten Entscheidungen der Kirche, besonders Papst Stephans I., steht fest, daß eine Taufe dann gültig ist, wenn sie in der vorgeschriebenen Weise und mit der Absicht, das zu tun, was die Kirche tut, gespendet wird, selbst wenn der Taufende nicht den vollen Glauben haben sollte. Diese Sachlage berechtigt an und für sich zu einer gewissen Hoffnung, daß auch die heutigen Taufen gültig sind. Wenn aber - und das ist zu befürchten - als Absicht der Kirche die Absicht der Neukirche, die keine wahre Kirche ist, verstanden wird, dann ist die Taufe ungültig. Man muß also wohl empfehlen, für die in den letzten Jahren getauften Kinder (und gegebenenfalls Erwachsenen) die Taufe wiederholen zu lassen.
Gegen boshafte Umdeutungen will ich noch anmerken, daß das mit Anabaptismus gar nichts zu tun hat, sondern ausschließlich mit der uralten Gepflogenheit der katholischen Kirche, von Ketzern mit zweifelhafter Gültigkeit gespendete Taufen - und heute muß man wohl Firmungen und Priesterweihen einschließen - sub conditione, d.h. bedingungsweise, zu wiederholen. |